Willkommen um zu bleiben
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Willkommen um zu bleiben

Als hätte Franz Kafka "Shining“ neu verfilm!

Von Thorsten Hanisch

Willkommen um zu bleiben“ zählt sicher zu den radikalsten Filmen des Jahres. Es ist zumindest schwer vorstellbar, dass dieses deutlich von Stanley Kubrick, David Lynch und – allen voran – Franz Kafka inspirierte Film-Mysterium in seiner Rätselhaftigkeit noch getoppt wird. Es ist auch mutig, dass man sich hierzulande sogar an eine Kinoauswertung traut, denn solch eine Ehre wird dem zweiten Film von Tallulah Hazekamp Schwab („Confetti Harvest“) bestimmt nicht in allzu vielen Ländern zuteil.

Die kommerziellen Aussichten dürften schließlich nicht allzu hoch sein. Die surreale Mischung aus Drama, Komödie, absurdem Theater und einem Schuss Science-Fiction, in der sich alles um einen Magier (Crispin Glover) dreht, der nicht mehr aus einem Hotel herausfindet, ist sicher nicht für jedermann. Wer aber Zugang findet, wird dafür umso begeisterter sein.

Ein Hotel voller Seltsamkeiten! Neue Visionen Filmverleih
Ein Hotel voller Seltsamkeiten!

Ein Magier, Mr. K, sucht nach einem enttäuschenden Auftritt vor desinteressiertem Publikum, eine Bleibe für eine Nacht und landet so in einem alten, aus der Zeit gefallenen Hotel, in dem sich schnell die Wirklichkeit auflöst: In seinem Zimmer liegt ein alter Mann unter dem Bett, aus dem Schrank steigt ein Zimmermädchen und aus den Wänden marschiert eine Blaskapelle. Der Magier versucht, wieder auszuchecken, aber das Hotel entpuppt sich als Labyrinth aus Korridoren und Fluren, die ihn nicht aus, sondern immer tiefer in das seltsame Universum des Hotels führen.

Die Mitarbeiter*innen und Gäste scheinen sich in dieser Zwischenwelt eingerichtet zu haben. Mr. K, der von den Gästen als „Befreier“ betrachtet wird, trifft unter anderem auf Anton (Jan Gunnar Røise), einen Küchenhelfer, der seit Ewigkeiten darauf wartet, zum Eierquirler befördert zu werden. Mr. K nimmt sogar notgedrungen verschiedene Jobs im Hotel an. Bis er eines Tages bemerkt, dass das Haus schrumpft – oder doch nicht?

Worum geht’s hier eigentlich?

So merkwürdig die Inhaltsangabe, so undurchsichtig der Film: Irgendwie wird von Klassenunterschieden erzählt, die da oben, die da unten. Irgendwie wird Systemkritik geübt, denn die dort unten wollen am Status Quo ebenso wenig rütteln wie die dort oben. Alle haben sich in ihre Leben eingerichtet, keiner will das System zum Einsturz bringen. Irgendwie erzählt „Willkommen um zu bleiben“ aber auch von einem einsamen, alten Mann, der sich kurze Zeit als Arbeiter und Revoluzzer in einem kapitalistischen System versucht, am Ende dann aber – eine Art – Erlösung für sich selbst findet.

Oder hat die Regisseurin vielleicht gar nichts zu sagen, sondern versucht uns – ähnlich wie der Protagonist sein Publikum – an der Nase herumzuführen? Schwab, die auch selbst das Drehbuch geschrieben hat, legt jedenfalls nirgendwo den Finger darauf, sondern hält das mit zunehmender Laufzeit immer undurchdringlicher werdende Geschehen bis zum Ende bedeutungsoffen, was man ihr durchaus als selbstverliebt auslegen könnte. Zumal die effektvolle Inszenierung des liebevoll ausgestatteten Hotels, ein leicht vom Unheil durchwabertes, sich organisch anfühlendes Gebäude voller Überraschungen, eine Art Overlook 2.0, das praktisch als zweiter Hauptdarsteller fungiert, viel Raum einnimmt.

Der Schauplatz von „Willkommen um zu bleiben“ schürt Erinnerungen an das Overlook Hotel aus Stephen Kings und Stanley Kubricks „Shining“. Neue Visionen Filmverleih GmbH
Der Schauplatz von „Willkommen um zu bleiben“ schürt Erinnerungen an das Overlook Hotel aus Stephen Kings und Stanley Kubricks „Shining“.

Es ist dem ersten Hauptdarsteller zu verdanken, dass der Regisseurin ihr Film trotzdem nicht entgleitet: Ausgerechnet Crispin Glover („Zurück in die Zukunft“, „Williard“), berühmt-berüchtigt für seine Exzentrik und seine Vorliebe für sonderbare Rollen, sorgt mit einer zurückgenommenen, fast biederen Darstellung für ein Quäntchen Normalität. Im – auf eigenwillige Art durchaus humorvollen – Irrsinn bietet er einen möglichen Anknüpfpunkt für das Publikum. Ob das allerdings gewillt ist, den Weg mitzugehen, liegt einzig und allein an ihm.

Fazit: „Willkommen um zu bleiben“ macht’s einem nicht leicht. Der Film von Tallulah Hasenkamp Schwab ist ein kafkaeskes Verwirrspiel, das mit zunehmender Laufzeit für mehr und mehr Fragezeichen sorgt und dementsprechend sukzessive anstrengender werden könnte. Er könnte aber auch durch effektvolle Inszenierung, liebevolle Ausstattung, äußerst schrägen Humor und einen starken Hauptdarsteller begeistern (wobei selbst dann ein Tick mehr Tempo nicht schlecht gewesen wäre). Entweder man findet Zugang oder halt nicht.

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