The Fantastic Four: First Steps
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,0
stark
The Fantastic Four: First Steps

Endlich macht das MCU wieder richtig Spaß!

Von Björn Becher

Es ist wohl keine Übertreibung zu behaupten, dass es das Marvel Cinematic Universe (MCU) ohne die Fantastic Four in seiner heutigen Form gar nicht geben würde: Als Jack Kirby und Stan Lee Marvels erste Familie erfanden, stand der damals noch Atlas Comics heißende Verlag kurz vor dem Aus. Die beiden Comic-Künstler waren unter mächtigem Druck und gingen deshalb voll ins Risiko – mit Geschichten über erstaunlich menschliche Superheld*innen, mit all ihren Fehlern und Problemen. Das kreative Wagnis hat sich ausgezahlt: „Fantastic Four #1“ wendete im Jahr 1961 das Blatt für das angeschlagene Unternehmen. Es war der Grundstein für ein Goldenes Zeitalter, in dem in kurzer Abfolge weitere Hit-Figuren wie Hulk, Iron Man, Spider-Man, Doctor Strange und die X-Men erfunden wurden. Das Marvel-Universum war geboren.

In den Kinos haben die Fantastic Four jetzt eine zwar nicht identische, aber doch vergleichbare Rolle: Das gewaltige MCU ist ins Wanken geraten. Selbst „Thunderbolts*“ ist trotz starker Kritiken an den Kinokassen abgeschmiert. Bei dem mit zu vielen Disney+-Serien aufgeblähten Universum immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben, fühle sich inzwischen eher wie „Hausaufgaben“ an, hat selbst Marvel-Boss Kevin Feige eingestanden. Und genau da ist „The Fantastic Four: First Steps“ jetzt der perfekte Kontrapunkt! Das komplett für sich stehende Action-Abenteuer begeistert mit farbenfrohen, visuell eindrucksvollen Sets sowie Figuren, die unerschütterlich an das Beste in der Menschheit glauben. So gelingt Matt Shakman („WandaVision“) ein MCU-Blockbuster, der so sehr wie kein anderer vorher den Geist der ursprünglichen Comics von Kirby, Lee und Co. atmet.

Marvels erste Familie endlich auch im MCU: die Fantastic Four! Disney und seine verbundenen Unternehmen
Marvels erste Familie endlich auch im MCU: die Fantastic Four!

Im Marvel-Multiversum kennen wir bislang vor allem die Erde-616. „First Steps“ spielt hingegen auf der Erde-828, in einem New York, dessen Look zwar auf den ersten Blick an die 1960er Jahre erinnert, zugleich aber mit allerlei genialen Gadgets und futuristisch anmutenden Gebäuden gepimpt ist. Hier leben vier besondere Menschen, die Geschichte geschrieben haben: Vor vier Jahren reisten Reed Richards (Pedro Pascal), Sue Storm (Vanessa Kirby), Johnny Storm (Joseph Quinn) und Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach) als Astronaut*innen ins All – und kehrten mit Superkräften auf die Erde zurück. Seitdem haben sie nicht nur Monster verkloppt, sondern auch für den Weltfrieden gesorgt – kein Wunder, dass sie inzwischen die größten Superstars des Planeten sind.

Jetzt steht allerdings ein neues Kapitel an. Und das nicht nur, weil Sue (kann sich unsichtbar machen) und Reed (kann seine Gliedmaßen fast beliebig weit dehnen) ihr erstes Kind erwarten. Zeitgleich erscheint nämlich ein durchs All gleitendes Alien, Silver Surfer (Julia Garner), und offenbart der Menschheit, dass ihr Meister Galactus (Ralph Ineson) auf dem Weg zur Erde ist und diese bereits in wenigen Monaten vollständig verschlingen wird. Die Fantastic Four wollen ihn natürlich stoppen. Doch bei der ersten Konfrontation mit dem riesigen Planetenfresser wird ihnen schnell bewusst, dass sie dieses Problem nicht mit den erprobten Mitteln (sprich: dem Feuer der „menschlichen Fackel“ Johnny oder der Faust von Ben alias Das Ding) lösen können. Trotzdem bietet Galactus dem Quartett einen Ausweg an. Im Austausch für Sues ungeborenen Sohn ist er bereit, die Erde zu verschonen...

Retro-Charme trifft Comic-Ästhetik

Wie zuletzt schon James Gunns „Superman“ wirft uns auch „The Fantastic Four: First Steps“ in eine Welt, in der die Existenz von Monstern und Menschen mit übernatürlichen Kräften wie selbstverständlich akzeptiert wird. Eine kurze Einführung im Rahmen eines TV-Beitrags mit Retro-Bildern im 4:3-Format reicht, um die Ursprungsgeschichte des Quartetts zu illustrieren. Sehr schnell ist man dann mittendrin in dem neuen Abenteuer. Die Dynamik innerhalb des Teams wird verdeutlicht, die Schwangerschaft eingeführt – und schon betritt die Silver Surfer die Bühne. So geht effektives Erzählen ohne den (unnötigen) Ballast einer x-ten, sowieso immer gleichen Origin Story.

Es geht von Beginn an so rasant voran, dass man kaum dazu kommt, sich an dieser faszinierenden Welt zu berauschen und all die Details der erstklassigen Sets zu bewundern. Comic-Fans werden trotzdem glücklich sein, dass ikonische Orte wie das Baxter Building und die Yancy Street so herausragend eingefangen wurden. Ohnehin überzeugt „The Fantastic Four: First Steps“ visuell abgesehen von einigen mauen CGI-Effekten größtenteils. Die Superkräfte der vier Hauptfiguren sind stark umgesetzt, die Silver Surfer fügt sich exzellent ein – und über den ersten Auftritt von Galactus wollen wir gar nicht zu viele Worte verlieren, um hier auch nichts von dem buchstäblich bildgewaltigen Effekt vorwegzunehmen.

Nicht nur die Darstellung der Superkräfte überzeugt. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Nicht nur die Darstellung der Superkräfte überzeugt.

Was „The Fantastic Four: First Steps“ zu mehr als einem rein visuellen Spektakel macht, sind seine großartigen Titelfiguren. Alle vier sind erstklassig besetzt und gerade die Scharmützel zwischen Johnny und Ben machen einen großen Spaß. Auch zwischen Reed und Sue ist diese innige Verbindung, die oft nur weniger Worte bedarf, jederzeit spürbar – was auch ein Verdienst der starken Chemie zwischen Pedro Pascal („The Last Of Us“) und Vanessa Kirby („Mission: Impossible 7 - Dead Reckoning“) ist. „Stranger Things“-Star Joseph Quinn sticht unterdessen als hitzköpfiger Jungspund, der beweisen will, dass er auch Ideen und kluge Gedanken hat, sogar am stärksten heraus – was vor allem daran liegt, dass seine Figur am abwechslungsreichsten in der Story eingesetzt wird.

In der Interaktion mit den Nebenfiguren merkt man allerdings, warum im Abspann so viele Namen in den Drehbuch-Sektionen gelistet sind und dass der Film bis kurz vor Kinostart immer wieder umgeschnitten wurde. Teilweise sind Spuren von weiteren Handlungssträngen enthalten – so etwa von einer losen Romanze zwischen Ben und einer Lehrerin („Poker Face“-Star Natasha Lyonne). Die wenigen noch vorhandenen Momente, wie eine kurze Begegnung in einer Synagoge, machen eigentlich Lust darauf, mehr über diese sich anbahnende Beziehung, ihre Komplikationen und Bens ständigen Kampf mit der Akzeptanz seiner Erscheinung zu erfahren. Dieses Gefühl, dass es da sogar noch mehr Potenzial gab, stellt sich immer wieder ein (schließlich wurde selbst ein Schauspiel-Titan wie John Malkovich nachträglich komplett herausgeschnitten). Doch das rasante Tempo des Films lässt solche Momente schnell verblassen, selbst wenn ein Witz mal nicht zündet oder ein Seitenstrang halb vollendet bleibt.

Zurück zum Herzen der Comics

Kevin Feige bezeichnete das auf einer uns bislang noch nicht bekannten Erde und kein bisschen mit dem restlichen MCU verbundene Abenteuer explizit als „No-Homework-Film“ („Keine-Hausaufgaben-Film“). Das hält Regisseur Matt Shakman aber zum Glück nicht davon ab, schon in den Auftaktminuten auf die Comics zu verweisen und sie sogar direkt zu zitieren. Er macht das aber so, dass sich niemand ausgeschlossen fühlen muss. Comic-Fans werden ihren Spaß haben, wenn sie Anspielungen entdecken, das übrige Publikum wird in den kurzen Scharmützeln mit allerlei klassischen Bösewichten aber auch so genug zu entdecken haben.

Gelungen ist dabei auch, wie „The Fantastic Four: First Steps“ auf die verschiedenen Blicke verweist, die es auf diese Familie, die trotz ihrer Kräfte menschlich bleiben will, in den Comics gibt. Feiert sie zu Beginn noch (fast) die gesamte Erde, dreht sich die Stimmung, als bekannt wird, dass die Fantastic Four mit dem Opfer eines einzigen Lebens den gesamten Planeten vor der Zerstörung retten könnten. Hier hätte der Film plötzlich eine sehr andere und sehr viel ernstere Richtung einschlagen können. Aber das hätte auch einfach nicht zu dieser wohllaunigen Comic-Verfilmung gepasst.

Es geht immer wieder zurück zum emotionalen Kern. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Es geht immer wieder zurück zum emotionalen Kern.

So bleibt hier ein (weiterer) spannender Konflikt einfach liegen, wenn die Geschichte um weltweite Proteste und wütende Mobs recht schnell abgefrühstückt wird. Doch diese Simplifizierung ist genau die richtige Entscheidung. Wie zuletzt James Gunns „Superman“ – zu dem sowieso eine ganze Reihe von Parallelen ziehen kann – feiert „The Fantastic Four: First Steps“ vor allem den unerschütterlichen Glauben seiner Hauptfiguren: Es muss immer einen Weg geben, alle zu retten – und sie weigern sich einfach, etwas anderes zu akzeptieren.

Es ist eine Rückbesinnung auf eine Ursprungsidee dieser im besten Sinne auch naiven Superhelden-Comics, die man in den Zeiten düsterer, geerdeter Filme auf den Spuren von Christopher Nolans „The Dark Knight“-Trilogie lange ignoriert hat. Eine emotionale Rede von Sue Storm bringt die grundoptimistische Aussage des Films dann auch perfekt auf den Punkt. Die geballte Wirkung ihrer Worte mögen Zyniker*innen als unrealistisch oder blauäugig abtun. Aber genau deshalb taugten Comics immer schon auch als Flucht aus einer komplexeren Realität. Und es ist schön, dass es nun auch wieder Filme gibt, die mit viel Herz und Humor diese Seite der Vorlagen umarmen.

Fazit: „The Fantastic Four: First Steps“ ist eine Frischzellenkur für das angeschlagene MCU und zugleich eine Rückbesinnung auf die Ursprünge der Superhelden-Comics. Matt Shakman gelingt mit seinem „No-Homework-Film“ eine stimmige Kombination aus spektakulären Schauwerten und einem emotionalen Kern. Das Ergebnis ist voller Herzenswärme und geprägt von einem unerschütterlichen Optimismus, der so viel Spaß bereitet, dass es nicht weiter schwerfällt, über so manch liegengebliebene Chancen oder dramaturgische Unebenheit, die auf eine bewegte Produktionsgeschichte hindeuten, wohlwollend hinwegzusehen.

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