Chuckys garstige kleine Schwester ist zurück!
Von Christoph PetersenTikTok ist schon länger ein Marketing-Tool für Hollywoodstudios. Doch 2022 gab es gleich zwei Horrorfilme, die allein aufgrund des Hypes auf der chinesischen Videoplattform alle Erwartungen übertroffen haben. Los ging es mit „Smile“, der ursprünglich direkt beim Streamingdienst Paramount+ veröffentlicht werden sollte. Aber nachdem die verstörend in die Kamera grinsenden Gesichter auf TikTok die Runde gemacht hatten, spülte die 17-Millionen-Dollar-Produktion am Ende mehr als 217 Millionen Dollar in die Kinokassen. Nur wenige Monate später folgte bereits „M3GAN“ über eine humanoide KI-Puppe, die wirklich alles tut, um ihre junge Besitzerin zu schützen.
Allerdings waren es weniger ihre mörderischen Tendenzen als ihre Dance Moves, die auf TikTok viral gingen – und so am Ende für mehr als 181 Millionen Dollar Einnahmen bei einem Budget von gerade einmal zwölf Millionen sorgten. Damit enden die Parallelen jedoch nicht, denn auch zwischen den Sequels gibt es Gemeinsamkeiten: Parker Finn nutzte seinen Freifahrtschein bei „Smile 2“, um sich mit einem tollkühnen, bunt-abgründigen Pop-Horror-Melodram endgültig als Horror-Auteur zu etablieren. Ähnliches versucht jetzt auch Gerard Johnstone mit „M3GAN 2.0“ – nur eben mit weit weniger Erfolg, selbst wenn in der Fortsetzung noch immer genügend verrückte Ideen stecken, um Spaß zu machen.
Nachdem die hoch entwickelte KI-Puppe M3GAN in letzter Sekunde gestoppt werden konnte, stellte sich bei den Beteiligten ein Umdenken ein: So setzt sich selbst ihre Schöpferin Gemma (Allison Williams) mit ihrem neuen Lobbyisten-Freund Christian (Aristotle Athari) inzwischen für Anti-KI-Regulierungen ein. Aber es gibt einen Player, der sich so eine Chance natürlich nicht entgehen lässt: das US-Militär. Mit A.M.E.L.I.A. (Ivanna Sakhno) hat es jetzt seine eigene Roboter-KI, die allerdings schon beim ersten Einsatz an der türkisch-iranischen Grenze Amok läuft.
Offensichtlich verfolgt A.M.E.L.I.A. autonome Ziele – und bei denen scheint auch Gemmas Nichte Cady (Violet McGraw) eine wichtige Rolle zu spielen. Aber M3GAN, die doch nicht vollständig zerstört wurde, sondern sich irgendwo online versteckt hat, kann natürlich auf keinen Fall zulassen, dass ihrer ehemaligen Spielgefährtin etwas zustößt. Deshalb hat die Babysitter-KI über Monate einen Plan ausgeheckt, um Cady zu schützen. Gemma bleibt dennoch skeptisch, weshalb M3GAN zunächst (noch) nicht in ihren alten Körper zurückkehren darf, sondern in einem pädagogisch wertvollen Kinderspielzeug-Roboter mit sehr eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten zwischengeparkt wird…
Schon im – durchaus positiven – Fazit unserer Kritik zu „M3GAN“ haben wir damals festgestellt: „Eine richtig schön fiese kleine Horror-Satire, die mehr mit ihrem ätzend-bissigen Humor als mit gruseligen Szenen […] überzeugt.“ In der Fortsetzung ist jetzt endgültig Schluss mit Grusel – sowieso ist „M3GAN 2.0“ im Kern weniger ein Horrorfilm als eine Superhelden-Variation mit einer breit angelegten KI-Verschwörung und einer ausgestellt zynischen Ader. Diese offenbart sich u. a. beim Umgang der Macher mit der angestrebten Jugendfreigabe: Wie der Vorgänger ist auch das Sequel wieder „PG-13“ – relativ unblutig also.
Wäre „M3GAN 2.0“ mit einem R-Rating ein besserer (Horror-)Film? Vermutlich schon. Aber wenn schon weggeschnitten werden muss, dann doch gerne so: Beim kraftvollen Herumreißen eines Kopfes gibt es kurz vor dem erwarteten Genickbruch einen Schnitt hin zur „Breaking News“-Einblendung einer Nachrichtensendung im TV. Und die besondere Stärke von A.M.E.L.I.A. wird gleich zu Beginn auch dadurch unterstrichen, dass sie ihrem Widersacher mit einem einzigen Faustschlag den Kopf vom Körper dreschen kann – was wir allerdings „nur“ als Schattenspiel an der Wand zu sehen bekommen.
Wie Parker Finn bei „Smile 2“ strebt auch Gerard Johnstone offensichtlich danach, seine Fortsetzung „größer“ wirken zu lassen – bloß ist er dabei in die falsche Richtung abgebogen: War die Handlung von „M3GAN“ noch vergleichsweise simpel, ist der Plot von „M3GAN 2.0“ jetzt völlig überladen – gefühlt zwei Drittel der stolzen Laufzeit von ziemlich genau zwei Stunden bestehen nur daraus, dass die (zu vielen) Figuren Expositionen, Erklärungen und philosophische Allgemeinplätze über die Zukunft der KI herunterrattern. So kommen die spaßigen Elemente des Films kaum mal richtig in Fahrt, bevor sie vom nächsten Dialogschwall direkt wieder ausgebremst werden.
Die Tanzsequenz in M3GANs neuem Anime-Outfit ist diesmal längst nicht so ikonisch ausgefallen wie im ersten Film – doch gerade der garstige Humor macht immer noch verdammt Laune. Wenn Jemaine Clement als windiger KI-Investor sein Date beeindrucken will, schaltet er kurzerhand der ganzen Stadt den Strom ab, weil das aus dem Fenster seiner Penthouse-Suite besonders spektakulär aussieht – scheiß doch auf die Schreie und Crashs, die dann plötzlich von den Straßen dort unten heraufschallen.
Dass Gerard Johnstone in der Fortsetzung komplett sein eigenes Ding durchzieht, merkt man auch daran, dass das Zielpublikum des Films und das Zielpublikum der eingestreuten Popkultur-Zitate so gar nicht zusammenpassen – was ich persönlich übrigens als angenehm anachronistisch empfinde: „M3GAN“ mag dank TikTok und Generation Z so erfolgreich geworden sein – aber im Finale sind es ausgerechnet die Titel von Steven-Seagal-Reißern wie „Hard To Kill“ und „Nico“ (= „Above The Law“), die den Tag retten, während zwischenzeitlich die „Knight Rider“-Titelmelodie erklingt und M3GANs Vorgehen gegen ein hereinstürmendes FBI-Kommando (mit Eiswürfeln und Saugrobotern) sicher nicht von ungefähr an „Kevin – Allein zu Haus“ erinnert.
Fazit: In den zwei Stunden von „M3GAN 2.0“ steckt vermutlich ein echt kurzweiliger 80-Minüter – nur wird zwischen den launigen Einschüben leider regelmäßig viel zu viel geredet und erklärt.