Generationenverständigung der unterhaltsamsten Sorte
Von Michael Bendix„Ich will niemals so werden wie du“: Diesen Satz hat so oder so ähnlich wahrscheinlich fast jeder Teenager schon mal seinen Eltern entgegengeschleudert. Auch Anna Coleman (Lindsay Lohan) ist es einmal so gegangen – doch rund 20 Jahre, nachdem sie durch eine (magische) Fügung wortwörtlich in den Schuhen ihrer Mutter Tess (Jamie Lee Curtis) gelandet ist, hat sich die Dynamik gewandelt: Anna ist mittlerweile alleinerziehende Mutter und führt mit ihrer 15-jährigen Tochter Harper (Julia Butters) dieselben leidigen Diskussionen, die sie in ihrer eigenen Jugendzeit mit den Augen rollen und genervt aufstöhnen ließen. Tess hat derweil die Rolle der coolen Großmutter für sich etabliert, die als pensionierte Psychologin und neuerdings auch Podcasterin zu allem Überfluss immer die richtigen Worte findet. „Ich bin hier die Lustige!“, empört sie sich dementsprechend, als Anna Harper zur Strafe bei ihrer Oma abladen will.
Im Kult-Klassiker „Freaky Friday“ (2003) mussten Mutter und Tochter ihre Körper tauschen, um einander am Ende etwas besser verstehen zu lernen. Doch erst das Leben hat geschafft, was auch ein verzauberter Glückskeks nicht zu leisten vermochte: Beide sind zur jüngeren Version der jeweils anderen mutiert. Die späte Fortsetzung „Freakier Friday“ nutzt nun geschickt Rückgriffe auf das Original (das übrigens selbst schon „nur“ ein Remake von „Ein ganz verrückter Freitag“ war), um diese Verschiebungen zu illustrieren: „Triff gute Entscheidungen“, ruft Anna aus dem Autofenster, nachdem sie ihre Tochter in der Schule abgesetzt hat. „Du bist so peinlich“, antwortet nicht etwa Harper – sondern Tess, von der sich Anna besagten Satz in ihrer eigenen Kindheit abgehört hat.
Doch es wird alles noch viel komplizierter: Anna – die ihre Rockstar-Träume begraben hat und nun als Managerin für den aufstrebenden Popstar Ella (Maitreyi Ramakrishnan) arbeitet – verliebt sich nach einem meet cute auf dem Schulflur ausgerechnet in Eric Reyes (Manny Jancito), den überaus attraktiven Vater von Harpers Highschool-Feindin Lily (Sophia Hammons). Eine Polaroid-Montage später werden bereits Hochzeitspläne geschmiedet – und dann beschließen Anna und Eric sogar, mit der gesamten Familie von Los Angeles nach London überzusiedeln. Konfliktpotenzial ist in dieser Patchwork-Konstellation also reichlich vorhanden – kann ein erneuter Körpertausch Abhilfe schaffen?
Bis „Freakier Friday“ überhaupt bei seinem entscheidenden Plotelement ankommt, dauert es ein wenig – schließlich hat die für Originalregisseur Mark Waters eingesprungene Nisha Ganatra („Late Night“) viel zu etablieren. Und nachdem der Film dann mithilfe der von ihren eigenen Fähigkeiten überraschten Wahrsagerin Jen (Vanessa Bayer) endlich zur – doppelten! – Body-Switch-Komödie geworden ist, wird es erst einmal ganz schön unübersichtlich: Nicht nur tauscht Anna den Körper mit ihrer Tochter, obendrein wechseln auch Tess und Harpers ungeliebte zukünftige Stiefschwester die Rollen – was zunächst dazu führt, dass man sich immer wieder fragen muss, wer denn nun eigentlich wer ist?
Doch was im ersten Moment umständlich wirkt, offenbart seinen Sinn, sobald die vier sich in Zweiergruppen aufteilen. Denn in „Freakier Friday“ müssen nicht nur allerlei Lektionen gelernt und Kompromisse geschlossen werden, vor allem interagieren Lindsay Lohan und Jamie Lee Curtis, als hätten die den Spaß von zwei Jahrzehnten nachzuholen – was der Film ihnen durch eine sanfte Anpassung im Regelwerk der Body-Switch-Komödie erlaubt.
Das Genre bezieht seine Komik ja zuvorderst aus Differenzen sowie dem Umstand, dass es seine Figuren einem Alltag aussetzt, der eigentlich nicht für sie bestimmt ist. Harper und Lily allerdings müssen (in ihren „neuen“ Körpern) zwar noch ihre persönliche Beziehung austarieren, doch sie haben zum einen dasselbe Ziel – Anna und Eric auseinanderbringen und auf diese Weise den gefürchteten Umzug verhindern –, zum anderen kommen sie aus der gleichen Lebenswelt. Zudem mag Lily zwar keine Ahnung haben, welche Essentials sie in der Seniorenabteilung des örtlichen Drogeriemarktes in den Einkaufskorb legen soll – in Annas Beruf funktionieren sie und Harper aber auf Anhieb, verstehen sie doch schlichtweg besser, was eine liebeskranke Popsängerin ihres Alters bewegt. „Freakier Friday“ sucht also eher das Verbindende als das Trennende, was auch dem Zusammenspiel von Lohan und Curtis einen neuen Flow verleiht (unter ihrer Chemie leiden allenfalls die beiden jüngeren Schauspielerinnen, die sich mit deutlich weniger Screentime zufriedengeben müssen).
Wenn sie sich die beiden – ausgestattet mit reichlich Gen-Z-Energie – auf ihre Sabotage-Mission begeben, scheint vor allem Lohan regelrecht aufzublühen, nachdem ihr Netflix zuletzt kaum dankbare Bühnen für ihr überfälliges Comeback gebaut hat. Curtis – ab dem Rollentausch mit so breitem wie falschem britischen Akzent – läuft an ihrer Seite erneut zu komödiantischer Hochform auf. Nach „Beetlejuice Beetlejuice“ und „Die nackte Kanone“ wird so allmählich immer klarer, worin die eigentliche Bestimmung der so erfolgreichen wie oft gescholtenen Gattung des Legacy-Sequels besteht: die Komödie (und mit ihr auch Namen wie Lohan) zurück ins Kino zu bringen.
Regisseurin Nisha Ganatra arbeitet ihrem Ensemble temporeich zu, während das Drehbuch die an mehreren Fronten ausgestragenen Generationsverwerfungen in teils großartige Bonmots über Handy-Einstellungen für Senioren (das „Riesige-Buchstaben-Virus“) oder Facebook („eine Art Datenbank für alte Menschen“) übersetzt. Es gibt Umstyling-Sequenzen, eine Irrfahrt im knallrotem 69er Chevrolet Camaro und eine referenzreiche, ans Cartoonhafte grenzende Slapstick-Sequenz, bei der Harper in einem Plattenladen nach den Anweisungen der notdürftig hinter Madonna- und Britney-Spears-Vinylcovern getarnten Lily versucht, Annas Jugendliebe Jake (Chad Michael Murray) zu verführen.
„Freakier Friday“ widersteht dabei beständig der Versuchung, seinem Stoff etwa durch identitätspolitische Bezüge einen bemüht zeitgeistigen Anstrich zu geben. Als Ausdruck der Enstehungszeit fungieren vor allem der digitale (aber kaum minder farbenfrohe) Look, das Alter der Stars sowie die Tatsache, dass statt des für die Jahrtausendwende typischen Skatepunks nun gleich zwei Chappell-Roan-Songs auf dem Soundtrack zu hören sind.
Ansonsten atmet der Film klar den unbekümmerten Geist einer Nullerjahre-Komödie, ohne dabei aber zu einer rein rückwärtsgerichteten Angelegenheit zu werden (und das, obwohl sein Timing in Zeiten der grassierenden Y2K-Nostalgie kaum besser sein könnte). Regisseurin Ganatra dosiert die unvermeidlichen Callbacks vergleichsweise sparsam und inszeniert ihre späte Fortsetzung vielmehr so, als wäre diese Art von eskapistischem Pop-Kino niemals ausgestorben. Am Ende stehen Mutter und Tochter auf der Konzertbühne und sind buchstäblich wieder in tune, und anstatt zur Mäßigung aufzurufen, endet der Film mit einem entspannten Plädoyer für Altersgrenzen sprengenden Support. Hoffentlich entdeckt Hollywood wieder, was es an diesen so simplen wie zeitlos effektiven Formeln hat.
Fazit: „Freakier Friday“ bleibt dem Geist des Vorgängers treu, ohne sich in Nostalgie zu verlieren. Dass der Film funktioniert, liegt vor allem an Lindsay Lohan und Jamie Lee Curtis, die wieder genauso perfekt miteinander harmonieren wie vor 22 Jahren.