Wenn bedeutende Regisseure wie Ingmar Bergman („Persona“) oder Steven Spielberg („Der weiße Hai“) ihn als Inspiration nennen, dann ist klar: Sein Einfluss auf das Kino ist nicht zu unterschätzen. Die Rede ist von Akira Kurosawa – dem visionären japanischen Regisseur, der mit Filmen wie „Rashomon“ (1950) oder „Die sieben Samurai“ (1954) nicht nur Meisterwerke schuf, sondern auch ganz neue Maßstäbe in Sachen filmischer Erzählstruktur und Dramaturgie setzte.
Angesichts dessen überrascht es kaum, dass sich neben Bergman und Spielberg noch zahlreiche weitere große Namen auf Kurosawa berufen. Einer davon ist Clint Eastwood. Seinen internationalen Durchbruch verdankte der Hollywood-Star dem Italo-Western „Für eine Handvoll Dollar“ (1964), der im Kern ein inoffizielles Remake von Kurosawas „Yojimbo – Der Leibwächter“ (1961) ist.
Eastwood verehrt Kurosawas Arbeit – bis auf diesen einen Film!
In dem Buch „Conversations With Clint“, das Interviews mit dem Star zwischen 1979 und 1983 beinhaltet, zeigte sich Eastwood tief beeindruckt vom Stil des japanischen Meisters: „Er hatte die Fähigkeit, visuell zu erzählen und gleichzeitig Figuren zu erschaffen, die man wirklich kennenlernen wollte.“ Eine Aussage, die Kurosawas einzigartige Verbindung aus Bildgewalt und emotionaler Tiefe treffend auf den Punkt bringt.
Doch so groß die Bewunderung auch ist – einen Film aus Kurosawas Schaffen konnte Eastwood nie wirklich überzeugen: „Uzala, der Kirgise“ (1975). Der fünffache Oscarpreisträger Eastwood fand deutliche Worte: „Ich liebte Kurosawas Arbeit. ‚Uzala, der Kirgise‘ mochte ich nicht – ich fand ihn furchtbar, abgesehen von einer schönen Wind-Szene.“
Bei der von ihm erwähnten Sequenz handelt es sich um eine eindrucksvolle Passage, in der Dersu und der russische Forscher Arsenjew in der endlosen Steppe von einem plötzlichen Schneesturm überrascht werden. Dersu reagiert blitzschnell, baut aus Halmen einen Windschutz und bewahrt so beide vor dem sicheren Erfrierungstod.
Kurosawa inszeniert diesen Moment mit beeindruckender Intensität – der Wind erscheint dabei weniger als bloßes Wetterphänomen, sondern beinahe als eigenständige Kraft, als unsichtbare, launische Hauptfigur dieser Szene.
"Uzala, der Kirgise": Ein bedeutender Film für Kurosawa
Auch wenn „Uzala, der Kirgise“ bei Eastwood keinen positiven Eindruck hinterließ, spielt der Film innerhalb von Kurosawas Schaffen eine zentrale Rolle. Es ist sein einziger außerhalb Japans realisierter Film – entstanden in einer Phase persönlicher und künstlerischer Krisen, nach mehreren Rückschlägen und einem gescheiterten Suizidversuch. Die sowjetische Produktion – eine Adaption der gleichnamigen Memoiren des russischen Entdeckers Wladimir Arsenjew – ermöglichte Kurosawa einen Neuanfang, fernab der Zwänge des japanischen Studiosystems.
Stilistisch markiert „Uzala, der Kirgise“ einen klaren Bruch mit den kraftvollen, teils martialischen Epen wie „Die sieben Samurai“. Statt monumentaler Schlachten und Konflikte dominieren hier leise Töne: Der Film erzählt eine zutiefst menschliche Geschichte über Freundschaft, Vergänglichkeit und Entfremdung von der Natur. Die Weite der sibirischen Landschaft, die feinsinnige Bildsprache und die melancholische Grundstimmung machen „Uzala, der Kirgise“ zu einem meditativen, poetischen Werk, das Kurosawas humanistische Haltung in ihrer reinsten Form offenbart.
Die internationale Resonanz ließ nicht lange auf sich warten: 1976 wurde das Werk mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Heute gilt es als unterschätztes Meisterstück – als ein Film, der leise wirkt, aber tief nachhallt. Der Meinung ist übrigens auch der Vatikan! Mehr dazu findet ihr in diesem FILMSTARTS-Artikel:
Göttliches Filmvergnügen: Diese 45 wundervollen Filme haben den Segen des Vatikans!Nach diesem Ausflug ins sowjetische Kino kehrte Kurosawa gestärkt nach Japan zurück und widmete sich erneut dem historischen Großfilm. 1980 entstand „Kagemusha – Der Schatten des Kriegers“, für viele Fans eines der späten Glanzlichter seines Œuvres. Und auch hier zeigte sich der Einfluss des Regisseurs weit über Japan hinaus: Kein Geringerer als „Star Wars“-Schöpfer George Lucas und Regie-Ikone Martin Scorsese („Taxi Driver“) unterstützten das Projekt als Produzenten – ein weiterer Beleg dafür, wie tief Kurosawas Schaffen in der internationalen Filmwelt verankert ist.
Das lässt sich auch auf das Werk von Clint Eastwood übertragen. Der Regisseur hat mittlerweile 40 Kinofilme inszeniert und in noch mehr selbst mitgewirkt. Ohne Frage: Eastwood ist eine wahre Legende des Kinos – ebenso wie Akira Kurosawa. Man darf wohl annehmen, dass Eastwoods Abneigung gegenüber „Uzala, der Kirgise“ nicht allzu tief verankert ist. Und mal ehrlich, nicht alles muss einem gefallen. Das zeigt sich auch daran, dass Eastwood einem der größten Superhelden-Blockbuster aller Zeiten eine Absage erteilte. Mehr dazu im folgenden FILMSTARTS-Artikel:
"Nichts für mich": Clint Eastwood hätte einen der legendärsten Bösewichte der Kinogeschichte spielen können – und hat abgelehnt!*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.