Diesen stylischen, packenden Thriller-Meilenstein eines gefeierten Kult-Regisseurs gibt es jetzt neu in 4K im Heimkino
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

Mit diesem Mix aus Thriller, Horrorfilm und Krimi nahm die Karriere eines einflussreichen und umjubelten Genre-Regisseurs ihren Anfang: „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ von Dario Argento ist diese Woche als 4K-Disc erschienen.

NSM Records

Ist es ein Krimi? Ist es ein Thriller? Ist es ein Horrorfilm? Ja klar, äh nein – es ist Giallo! Das in Italien entstandene Subgenre, benannt nach den dort einst üblichen gelben Einbänden günstiger Nervenkitzel-Heftromane, befindet sich an der Schnittstelle zwischen den drei Genres und entwickelte ein soghaftes Eigenleben:

Eine elliptische, tagalbtraumhafte Logik, stylische Bildästhetik, markante Musik und (für ihre Zeit) harsche Gewaltspitzen machten den Giallo zu einer einflussreichen Strömung mit passionierter Fangemeinde. Die hat nun guten Grund zur Freude, denn diese Woche ist mit „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ ein Meilenstein des italienischen Schocker-Kinos auf 4K-Disc erschienen:

Zuvor erschien bereits ein limitiertes 4K-Mediabook* mit umfangreichen Buchteil, das allerdings mit einem entsprechenden Kostenpunkt daherkam. Die neue 4K-Variante in Standardverpackung ist da die deutlich preiswertere Alternative.

Extras gibt es dennoch, etwa zwei Audiokommentare und drei Interviews, darunter eines mit Kultregisseur Dario Argento. Der feierte mit „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ sein Regiedebüt, was einer der Gründe dafür ist, dass dieser Krimi-Horrorthriller in der Chronik des italienischen Spannungskinos einen Ehrenplatz innehält.

Darum geht es in "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe"

Der amerikanische Autor Sam Dalmas (Tony Musante) lebt derzeit in Italien. Eines Nachts blickt er während seines Heimwegs auf die Straßenseite gegenüber und sieht eine trotz später Stunde gleißend hell erleuchtete Kunstgalerie, in der seltsame Dinge vor sich gehen. Eine große, schwarz verhüllte Gestalt geht auf eine Frau (Eva Renzi) zu!

Sam rennt auf die Galerie zu, um der Frau zu helfen. Doch es gelingt ihm nicht, sich durch das Labyrinth aus blitzblanken Glasschiebetüren zu kämpfen. Und so bleibt ihm nur, zuzuschauen, wie die Frau mit Messerstichen zu Boden geht und langsam an Lebenskräften verliert. Wird noch Hilfe eintreffen? Und wer war dieser ruchlose Typ in schwarzem Leder?

Ein Krimi wie im Scotch-Rausch

„Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ ist längst nicht der erste Eintrag in den Giallo-Kanon, aber Argentos Regiedebüt von 1970 stand zu Beginn einer zuvor ungeahnten Welle des Erfolgs und positiver Presseanerkennung. Somit stärkte er die kulturelle Position des Genres – und legte für viele folgende Titel eine Blaupause fest.

Argento, der auch das Drehbuch verfasste, hatte selbst auch eine Inspirationsquelle: Seine Geschichte weist einige Parallelen zum Roman „Die schwarze Statue“* auf, der bereits 1958 verfilmt wurde. Aber die Art und Weise, mit der Argento diesen Stoff in „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ zu einer genüsslich-abgeschmackten Erfahrung weiterspinnt, hebt diesen Giallo wirksam von seinen Vorgängern ab:

Argento reiht die Ereignisse nicht wie in einem stringenten Kriminalthriller aneinander, sondern mit schwankend wechselnden Schwerpunkten, abrupten Übergängen kurz vor oder nach Wendemomenten und einer sich gleitend verschiebenden, inneren Logik. Als wäre der Film die im sanften Alkoholrausch erfolgte Nacherzählung eines zuvor im nüchternen Zustand gelesenen Groschenromans (vielleicht waren ein paar Gläser J&B schuld – ist der Blended Scotch doch allgegenwärtig im Gewaltkino der Giallo-Blütezeit).

So wird Sam im Zuge eines raffinierten, ruckeligen Schnitts von seiner Zeugenaussage in der Galerie ins Polizeipräsidium verfrachtet, wo er seine Aussage zum wiederholten Male tätigen soll. Und später führen ihn seine aus Neugier und Bockigkeit aufgenommenen Nachforschungen zu einem von der Außenwelt abgeschotteten, verschwitzten Künstler mit auffälliger Frisur und rülpsiger Aussprache – als sei Sam beim Betreten des Künstlerhauses in einer rabenschwarzen Farce gelandet.

Voyeurismus und wacklige Erinnerungen

In unfähigeren Händen drohten solche Holprigkeiten die Spannung zu zerstören und den Film zu zersetzen. Doch Argento gelingt es dank eines erzählerisch zielgenau-reduzierten, thematisch reichhaltig nachhallenden Skripts und seinem scharfen Auge für eindrucksvolle, hypnotisierende Bilder, die Anspannung so zu steigern: „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ erzählt eine „Wer hat zugestochen?“-Kriminalgeschichte, die während der Tätersuche mehrmals „falsch“ abbiegt und mitten im frühen Slasherhorror landet – und darüber legt sich die subtile Beklemmung eines Psychothrillers über angeschlagene Wahrnehmung.

Nachdem er die ruchlose Attacke in der Galerie tatenlos mitansehen musste, verfolgen Sam die Erinnerungen – im banalen Alltag, während seiner angespannten Indiziensuche und selbst in Glücksmomenten wie beim Sex mit seiner Freundin. Doch die Abfolge der Ereignisse variiert in seiner Erinnerung, sodass er sich selbst mitunter nicht mehr trauen kann. Eigenartige Hinweise, die vages Unwohlsein bei ihm wecken, verschlimmern dies – wie die Fotografie eines schlicht makabren Gemäldes, die ihm bei der Tätersuche ausgehändigt wird.

Mit diesem Gemälde und der unvergesslichen, in kunstvoll arrangierten Bildern eingefangenen Galerie-Sequenz zu Filmbeginn, arbeitet Argento einen thematischen Aspekt heraus, der wichtig für das Giallo-Kino werden sollte: Voyeurismus – und die (unausgesprochene) Mittäterschaft des Publikums. Denn wir schauen gebannt die weiteren Ereignisse abwartend zu, wie ein Mann, der helfen wollte, aber nicht helfen konnte, einer Messerattacke zuschaut.

Nur musikalisch ist „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ noch nicht dort angelangt, wo das Giallo-Kino hinsteuern sollte: Der Score des Meisterkomponisten Ennio Morricone hat verschiedene, für sich effiziente Ansätze, ist als Gesamtwerk aber Kraut und Rüben – und hat längst nicht die klangästhetische Wucht und Exzentrik, die spätere Argento-Reißer bieten sollten. Morricone in Bestform findet ihr dagegen in unserem folgenden Heimkino-Tipp:

Clint Eastwood lehnte die Hauptrolle einst aus Angst ab: Der beste Western aller Zeiten ist jetzt noch besser als je zuvor – in 4K!

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