2015 ließ Regisseur Sebastian Schipper in „Victoria“ eine Spanierin und eine Handvoll ungestümer Berliner nachts durch die deutsche Hauptstadt stromern – und dabei über Umwege von einem Club in eine Krimithriller-Handlung. Vier Jahre nach diesem international gefeierten Film reichte der Regisseur einen waschechten Roadmovie nach. Und bei diesem Projekt war es Schipper, der ganz woanders herauskam als anfangs gedacht.
Denn wie Schipper im Fahrwasser des „Roads“-Kinostarts gegenüber der Filmpresse erläuterte, wollte er zunächst einen leichtfüßig-sommerlichen Film über zwei Jungs drehen, auf die er seine unbeschwerten Jugenderinnerungen projizieren kann. Aber nach und nach wurde dies zu einem schwereren, ernsteren und dringlicheren Film, in dem es auch um Interkulturalität, Europas Umgang mit Geflüchteten und den Wert eines humanistischen Blicks auf die Welt geht.
Heute, am 11. August 2025, zeigt One „Roads“ ab 20.15 Uhr. Außerdem lässt sich das spannende und bewegende Roadmovie über Amazon Prime Video als VOD beziehen:
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Darum geht es in "Roads"
William (Stéphane Bak) ist 18 Jahre alt, stammt aus dem Kongo, und ist auf der verzweifelten Suche nach seinem verschollenen Bruder. Weil er ihn in Frankreich vermutet, nimmt er die strapaziöse Reise nach Europa auf sich. Gerade befindet er sich in Marokko – und das Schicksal bringt ihn mit dem gleichaltrigen Briten Gyllen (Fionn Whitehead) zusammen.
Der hat das Luxus-Wohnmobil seines Stiefvaters stibitzt, um dem lästigen Urlaub mit seiner unangenehmen Familie zu entfliehen und seinen in Arcachon leiblichen Vater Paul (Ben Chaplin) zu besuchen. Von Abenteuerlust ebenso angetrieben wie von einer großen Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit, wird aus den Jugendlichen ein ungleiches Duo, das wiederholt mit schweren Entscheidungen konfrontiert wird...
Bleibtreu stiehlt Szenen – aber keine Herzen
Als verlässlicher Szenendieb erweist sich auf dieser Reise Moritz Bleibtreu: Der „Lammbock“-Star gibt einen deutschen Hippie namens Luttger, mit dem die Protagonisten eine Zweckgemeinschaft eingehen. Denn mit ihm am Steuer erhoffen sie sich eine leichtere Überquerung der spanischen Grenze – doch diese zweckdienliche Bekanntschaft hat für William und Gyllen einen Preis:
Die beiden einfühlsamen Jungs müssen feststellen, dass sich hinter dem Hippie in Reggae-Strickmütze ein derber Schreihals verbirgt, der ununterbrochen widerwärtige Chauvi-Sprüche klopft. Mit diesem exzentrischen, geschmacklos-komischen Gehabe reißt Bleibtreu zahlreiche Filmmomente an sich und steigt zu einer Figur auf, über die man sich liebend gern aufregt.
So schustert Schipper auch ganz raffiniert seinen Hauptfiguren weitere Sympathiepunkte rüber, die sich allein schon durch Luttgers Präsenz gedrungen sehen, näher zusammenzuwachsen. Und dabei ist er noch eine der harmloseren Hürden, die sich den verständnisvollen, ihren Platz im Leben und der Welt suchenden Jungs in den Weg stellt: Sukzessive wird aus diesem eingangs munteren Abenteuer, das seine schwereren Themen wie Gewalt in der Familie und die instabile Lage im Kongo nur am Rande anerkennt, eine hochspannende, bedeutsame Erzählung über Polizeiwillkür, Fremdenhass und ein Europa, das seinem eigenen humanistischen Anspruch viel zu selten gerecht wird.
Eine sukzessive Reise zu schweren Themen, die ihre Figuren stets im Blick behält
All dies filtert Schipper weitestgehend durch die Augen seiner Hauptfiguren und ihre immens sympathische, glaubhafte Freundschaftsdynamik. Zynischere Filmfans könnten „Roads“ somit eine mutlose Annäherung an seine unbequemeren Sujets vorwerfen. Die weniger zynische Lesart wäre, dass Schipper den Überbau eines Reiseabenteuers nimmt, um zu verdeutlichen, welch rarer Luxus eine sich sorglos in Eskapaden stürzende Jugend global gesehen ist.
Sich im weiteren Filmverlauf zu sehr von diesem Ansatz zu lösen, würde „Roads“ dieser Lesart nur belehrend erscheinen lassen – womit der Film seine Wirkung zu verfehlen drohe. Zudem verleiht diese Freundschaftserzählung, die Bak und Whitehead so authentisch vermitteln, „Roads“ eine zeitlose Allgemeingültigkeit: Konkrete politische Konflikte und einzelne, kulturelle Bindungen mögen sich ändern, doch sich einander stützende und akzeptierende Menschen bleiben jederzeit inspirierend.
Und wenn ihr wissen wollt, ob eine von Sebastian Schippers Regiearbeiten den Sprung in die Liste der besten deutschen Filme aller Zeiten geschafft hat, findet ihr die Antwort im folgenden Artikel:
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