"Ich habe das Kriegsbeil begraben": Deshalb hat es zwischen Quentin Tarantino und Denzel Washington gekracht
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

Kultregisseur Quentin Tarantino sorgt seit Jahrzehnten für Begeisterung – aber ebenso auch für Kopfschütteln. Vorübergehend war auch „The Equalizer“-Star Denzel Washington eine Hollywood-Größe, die verständnislos auf Tarantino blickte...

Filme bedingen Teamwork – und das oft in größerem Maße als selbst der Abspann verrät: An zahlreichen Filmen sind Personen beteiligt, die keine namentliche Nennung erhalten, sodass ihr Beitrag ein Industriegeheimnis bleibt. Manchmal werden diese Industriegeheimnisse jedoch zu offenen Geheimnissen. So polierte „Star Wars“-Darstellerin Carrie Fisher berühmterweise die Skripts zu so unterschiedlichen Filmen wie „Sister Act“ und „Last Action Hero“ auf (mehr dazu).

Auch „The West Wing“-Macher Aaron Sorkin war als sogenannter „Script Doctor“ tätig. In dieser Position wirkte er sowohl an Steven Spielbergs Holocaustdrama „Schindlers Liste“ als auch an Michael Bays Actionspektakel „The Rock“ mit. Eine weitere Hollywood-Größe, die sich so ein Zubrot verdiente, ist Oscar-Gewinner und Kultregisseur Quentin Tarantino:

Der „Pulp Fiction“-Macher beteiligte sich unter anderem am Drehbuch zum Thriller „Ohne jede Reue“, am Skript zur grotesken Komödie „Was ist Pat?“ und am „The Rock“-Drehbuch.

"Crimson Tide": Ein U-Boot-Thriller mit Tarantino-Zeilen

Ein weiterer Film, für den Tarantino als „Script Doctor“ angeheuert wurde, ist der gefeierte U-Boot-Thriller „Crimson Tide – In tiefster Gefahr“ von 1995. Darin spielt Denzel Washington einen Korvettenkapitän, der sich mit seinem Vorgesetzten (Gene Hackman) in die Haare kriegt, weil Unklarheit besteht, ob sie einen nuklearen Präventivschlag gegen Russland ausüben sollen. Falls ihr „Crimson Tide“ nachholen oder noch einmal schauen möchtet, findet ihr den Thriller bei Disney+!

Beim von „Fluch der Karibik“-Produzent Jerry Bruckheimer gestemmten Film handelt es sich um eine Regiearbeit des „Top Gun“-Machers Tony Scott – der Erfahrung damit hatte, Tarantinos Dialog in Szene zu setzen: Zuvor inszenierte Scott bereits den tragikomischen Gangsterfilm „True Romance“, dessen Drehbuch von Tarantino verfasst wurde. Der federführende Autor bei „Crimson Tide“ war unterdessen Michael Schiffer.

Wie sehr Tarantino Schiffers „Crimson Tide“-Drehbuch überarbeitet hat, ist nicht öffentlich bekannt. Der „Kill Bill“-Autor ließ jedoch blicken, dass er primär Dialoge beigesteuert hat, um dem Film mehr Schmiss zu verleihen – und dass einige Szenen mit popkulturellen Referenzen dazu gehören.

Daher sind sich Filmfans sicher, dass die „Crimson Tide“-Passage, in der sich zwei Offiziere darüber streiten, welcher Marvel-Künstler Silver Surfer besser umsetzte, von Tarantino stammen muss. Außerdem hegen viele den Verdacht, dass ebenso die wiederkehrenden Gespräche über die Lipizzaner-Pferderasse von Tarantino erdacht wurden: Der Austausch zwischen Hackmans und Washingtons Figuren über die hochgeliebten Pferde beginnt als vermeintlich beiläufige, leicht skurrile Charakternote.

Gegen Ende des Films enbrennt auf dem Rücken dieses Themas jedoch ein emotional aufgeladener, von Hackmans Figur mit rassistischen Anfeindungen bespickter Zwist. In einem derartigen, doppelbödigen Tonfall gehaltene Dialoge über Rassismus finden sich öfters in Tarantinos Vita, etwa in „True Romance“ und im einige Zeit nach „Crimson Tide“ veröffentlichten „Django Unchained“.

Washington hatte genug von Tarantinos Schreibe

Wenn Tarantinos Schreibstil auf ein gewichtiges Thema wie Rassismus trifft, kommt es zwangsweise zu Reibung: Tarantinos Herangehensweise hat zahlreiche Fans, wie der Drehbuch-Oscar für Tarantinos Sklaverei-Rachewestern „Django Unchained“ belegt, stößt aber auch auf Kritik. So nahm „Malcolm X“-Regisseur Spike Lee wiederholt Anstoß an Tarantinos Stil (mehr dazu), und auch Washington war nicht Tarantinos größter Fan:

Wie das Premiere Magazine 1995 (via Far Out) publik machte, konfrontierte Washington den Filmemacher während eines kurzen Besuchs des „Crimson Tide“-Sets damit, wie er in seinen Skripts Rassismus behandelt und abbildet. Als Tarantino erwiderte, dass er und Washington sich darüber privat austauschen sollten, habe der „The Equalizer“-Star barsch geantwortet: „Nein. Wenn wir das ausdiskutieren, dann diskutieren wir das jetzt aus!“

Von diesem Moment an habe es Spannungen zwischen Washington und Tarantino gegeben – auch wenn sie Tarantino nicht davon abhielten, Washington mehrmals in Besetzungswunschlisten zu packen. Auch seitens Washington legte sich der Groll letztendlich. 2012, sieben Jahre nach dem „Crimson Tide“-Kinostart, sprach GQ Washington auf die Fehde zwischen ihm und Tarantino an – und brachte so ans Licht, dass sich das Thema für den „Training Day“-Star erledigt hatte.

„Ich habe das Kriegsbeil begraben“, so Washington. Er habe ein paar Jahre nach dem Vorfall erneut Kontakt zu Tarantino gesucht, um für reinen Tisch zu sorgen: „Ich habe ihm gesagt: ,Hör mal – ich entschuldige mich.' Man muss [den Groll] einfach loslassen. Willst du wirklich für den Rest deines Lebens mit sowas herumlaufen?“ Laut Washington wirkte Tarantino „erleichtert“, nachdem ihn Washington für eine Aussprache kontaktierte.

Während Denzel Washington trotzdem bislang in keinem Tarantino-Film auftauchte, beteiligte sich seine Tochter Katia Washington als redaktionelle Produktionsassistentin an „Django Unchained“. Wie es unterdessen um Tarantinos geplante letzte Regiearbeit bestellt ist, erfahrt ihr im folgenden Artikel:

Quentin Tarantino hat schlechte Nachrichten für seine Fans: Darum wird sein nächster Film noch eine Weile auf sich warten lassen

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