Der Disney-Zeichentrickfilm „Lilo & Stitch“ bricht in vielfacher Weise mit der altbewährten Erfolgsformel des Traditionsstudios: Der mit einem überaus erfolgreich in den Kinos laufenden Realfilm-Remake gesegnete Animationsfilm setzt beispielsweise auf gänzlich andere Designprinzipien als bei abendfüllenden Disney-Projekten zumeist üblich.
Er ist darüber hinaus entgegen der Disney-Konvention voller weltberühmter Popsongs (anstelle neuer Lieder). Und das titelgebende Duo ist wesentlich kratzbürstiger und destruktiver als die handelsüblichen Disney-Hauptfiguren (jedenfalls abseits von Zornerpel Donald Duck). Insofern ist es überaus passend, dass in diesem Film über ein eigenwilliges, streitlustiges Mädchen und ihren außerirdischen, wilden Begleiter minutenlang eine Referenz auf einen ganz und gar nicht jugendfreien Kultklassiker von Quentin Tarantino herumstolziert!
"Lilo & Stitch": Wo ein Hauch von Tarantino das Wohl eines Kindes beäugt...
Die sechsjährige Waise Lilo hat einige eher atypische Interessen für ein Kind ihres Alters. Ihre Hobbys und ihr streitlustiges Verhalten beunruhigen im Laufe des Original-Zeichentrickfilms wiederholt den Sozialarbeiter Cobra Bobo (der in der englischen Sprachfassung des Films Cobra Bubbles heißt). Falls ihr eure Erinnerung auffrischen möchtet: „Lilo & Stitch“ ist via Disney+ abrufbar!
Die Ironie des Ganzen: Cobra Bobo ist selbst eine wandelnde Popkulturreferenz, wie sie diese Figur wohl kaum in einem familienorientierten Kinofilm gutheißen würde! Denn der im perfekt sitzenden, schwarzen Anzug gekleidete, geheimnisvolle Sozialarbeiter ist Marsellus Wallace nachempfunden, dem gefürchteten Gangsterboss aus Tarantinos vielfach preisgekröntem Kultklassiker „Pulp Fiction“.
Cobra und Marsellus sind beides Glatzenträger und scheinen auch dieselbe Art Ohrring zu mögen – was angesichts des US-Schauspielers, der Cobra Bobo im Originalton spricht, nicht verwundern dürfte:

Cobra Bobo wird von „Mission: Impossible“-Nebendarsteller Ving Rhames gesprochen. Bevor Rhames seine wiederkehrende Nebenrolle im Actionfranchise übernahm, spielte er bereits Marsellus Wallace in „Pulp Fiction“ – und obwohl die beiden Figuren hinsichtlich ihres Vokabulars und ihres Vorgehens Welten voneinander entfernt sind, hat Rhames viel von Marsellus' Duktus und Timbre in seine Disney-Zeichentrickrolle gelegt.
Diese unerwartete „Pulp Fiction“-Referenz geht auch in der deutschen Synchro des Ur-„Lilo & Stitch“ auf: Dort ist Tilo Schmitz als Cobra Bobo zu hören – derselbe Synchronsprecher, der zuvor Marsellus Wallace seine Stimme lieh. Wenn ihr „Pulp Fiction“ jetzt (wieder) sehen möchtet, findet ihr den Film unter anderem bei Paramount+ im Abo:
Im „Lilo & Stitch“-Remake bleiben Cobras Ohrring und Glatze erhalten, der neu in die Rolle schlüpfende „Final Destination 5“-Star Courtney B. Vance legt die Figur aber weniger mysteriös an und versucht sich auch an keiner Rhames-Imitation. Die im Original so undurchdringliche Figur war so übrigens nicht von Anfang an Teil des Plans der „Lilo & Stitch“-Regisseure Chris Sanders und Dean DeBlois:
Eingangs schwebte ihnen vor, dass ein kümmerlicher Schwächling das Sozialamt vertritt. Die Filmcrew plante, „Jurassic Park“-Neurotiker Jeff Goldblum für die Rolle anzufragen. Doch als sich abzeichnete, dass die Konfrontationen zwischen Lilo, ihrer älteren Schwester Nani und dem Sozialarbeiter somit keinerlei Fallhöhe entwickeln, wurde der aus Deutschland stammende, legendäre Disney-Zeichner Andreas Deja gebeten, die Figur neu zu gestalten.
Wie er in seinem Blog Deja View verrät, bekam er den Auftrag „den ultimativen, autoritären Sozialarbeiter“ zu zeichnen. So kam ein Design zustande, das bereits frappierend nah am finalen Erscheinungsbild der Figur war. Die Animation des streng wirkenden, letztlich aber warmherzigen Cobra Bobo übernahm indes Byron Howard – ein Disney-Zeichner, der später als Regisseur am Megahit „Zoomania“ mitwirken sollte.
Auch beim dieses Jahr anstehenden Sequel nahm Howard auf dem Regiestuhl Platz. Der erste Teaser zur lang erwarteten Fortsetzung läuft derzeit in zahlreichen deutschen Kinos im Vorprogramm des „Lilo & Stitch“-Remakes – ihr könnt ihn aber auch hier sehen:
Teil 1 spielte eine Milliarde (!) Dollar ein – kann die Fortsetzung das auch? Erster deutscher Trailer zu Disneys "Zoomania 2"*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.