Sean Bakers „Anora“ schlug bereits vor einem Jahr auf den Filmfestspielen von Cannes ein wie eine Bombe. Es folgte die Ehrung mit dem Hauptpreis des Festivals, der Goldenen Palme. Fünf Oscars (inklusive Beste Regie und Bester Film) kamen hinzu – und auch FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen war in seiner Kritik von dem Indie-Hit sichtlich angetan: „‚Pretty Woman‘ trifft ‚Der schwarze Diamant‘! ‚Anora‘ ist ein unglaublich energiegeladenes und gnadenlos unterhaltsames Cinderella-Update für Erwachsene.“
Noch nie zuvor waren die Augen der Filmwelt so sehr auf Sean Baker gerichtet. Nicht selten markiert ein solcher Erfolg den Sprung in höhere Hollywood-Kreise. Ein Beispiel: Chloé Zhao, die für ihre Indie-Perle „Nomadland“ ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, fand sich ein Jahr später als Regisseurin von Marvels „Eternals“ wieder.
Im Gespräch mit dem „It Happened In Hollywood“-Podcast des Hollywood Reporters machte Baker klar, dass er zwar noch an verschiedenen neuen Ideen arbeitet – doch eines steht für ihn bereits unumstößlich fest: „Erwartet keinen Marvel-Film.“
David gegen Goliath
Seiner Liebe zum Indie-Kino bleibt Baker treu – und stellt sich damit den großen Studios entgegen. Im Podcast erklärt er, warum er daran festhält:
„Ich bleibe bewusst in meinem bisherigen Umfeld – auch was das Budget angeht. Ich arbeite gerne komplett unabhängig. Ich arbeite nicht mal für ein Mini-Studio. Ich mache meinen Film selbstständig und hoffe anschließend auf einen klassischen Bieterkrieg oder ein Lizenzgeschäft. Nur so behält man wirklich die volle Kontrolle über seine Vision. Es wird also mehr vom Gleichen geben.“
Seine Worte erinnern dabei an seine leidenschaftliche Rede bei den Independent Spirit Awards 2024. Dort zeigte sich nicht nur seine Liebe zum unabhängigen Filmemachen, sondern auch seine Kritik am großen Blockbustergeschäft: „Ich bin ein Indie-Filmer auf Lebenszeit – und ich weiß, dass auch andere in diesem Raum das sind. Menschen, die diese Filme nicht als Sprungbrett für Serien oder Studio-Produktionen sehen.“
Damit sendete er nicht nur deutliche Signale an Hollywood, sondern appellierte auch nach Veränderungen: „Manche von uns wollen persönliche Filme für die Kinoleinwand machen, mit Themen, die große Studios niemals durchwinken würden. Wir wollen komplette kreative Freiheit und die Freiheit, die richtigen Schauspieler zu besetzen – nicht jene, die an der Kinokasse ziehen oder viele Follower haben. Das System muss sich ändern. So wie es ist, ist es einfach nicht nachhaltig.“
Mehr im Stile von "Anora"
Ein Blick auf Bakers Filmografie macht deutlich: Alles andere als Kontinuität wäre überraschend und unpassend. Ob in „Tangerine L.A.“ oder „The Florida Project“ – stets geht es bei ihm um soziale Randgruppen und deren Sorgen und Nöte. Auch „Starlet“ thematisiert den individuellen Wunsch, den eigenen Platz in der Welt zu finden, woran ebenfalls „Anora“ anknüpfte. Ein altes Sprichwort bringt es im Fall Sean Baker also gut auf den Punkt: Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Sein Wunsch, das System zu verändern, trägt unterdessen womöglich bereits erste Früchte – wie sich am Beispiel von „Anora“-Darstellerin Mikey Madison zeigt. Statt hochkarätige Angebote aus Hollywood anzunehmen, entschied sie sich bewusst für ein ganz besonderes Filmprojekt. Mehr dazu erfahrt ihr im folgenden Artikel:
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